Geschichte

Ausstellung von Blindenwaren in der Blindengenossenschaft Braunschweig e.G.m.H. und eine blinde Handwerkerin beim Bürsteneinziehen

Blindengenossenschaft Braunschweig: Blindenwaren­präsentation und Schauvorführung „Beseneinziehen“, 1948

Die Geschichte des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Niedersachsen e.V. begann nach dem zweiten Weltkrieg mit der Schaffung des neuen Bundeslandes Niedersachsen, das durch die Vereinigung des Landes Hannover mit den Freistaaten Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe entstand. 1947 gründete sich der Blindenverband Niedersachsen e.V. Aber die Geschichte der Selbsthilfe auf dem Gebiet des neuen Bundeslandes ist viel älter.

Bevor blinde Menschen sich auf Landesebene oder sogar deutschlandweit zusammenfanden, organisierten sie sich in den Städten des damaligen Deutschen Reiches. Denn im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert waren blinde Menschen immer weniger bereit, auf Fürsorge und Almosen angewiesen zu sein. Die Blindenschrift und mit ihr die mittlerweile entstandenen Blindenschulen ermöglichten ihnen das Erlernen des Lesens und Schreibens und damit Zugang zur Bildung.

Aber es ging um mehr, es ging um gesellschaftliche Teilhabe und selbstbestimmtes Leben. Themen übrigens, die damals aktuell waren und es bis heute sind.

Chronik

Auf dem Gebiet des heutigen Niedersachsens gründeten sich die ersten Blindenvereine …
1908 in Hannover,
1913 Braunschweig,
1918 Oldenburg,
1923 Osnabrück.
Auch in kleineren Städten und in ländlichen Räumen wie in Ostfriesland bildeten sich erste Selbsthilfestrukturen.

1912
In Braunschweig wird auf dem zweiten deutschen Blindentag der Reichsdeutsche Blindenverband (RBV – heute: Deutscher Blinden- und Sehbehindertenverband e.V.) gegründet.

1933 – 1945
Die Vereine werden "gleichgeschaltet". Die Satzungen werden an das nationalsozialistische Gedankengut angepasst.

1946
Im August wird der Deutsche Blindenverband in der Britischen Zone e.V. in Braunschweig gegründet.

1947 – Blindenverband Niedersachsen wird gegründet
In Osnabrück schließen sich die acht niedersächsischen Blindenvereine zum „Blindenverband Niedersachsen e.V.“ (BVN) zusammen. „Arbeit, Wohnung und Blindengeld“ waren die drei Grundforderungen, die zu dieser Zeit aufgestellt wurden. Die erste Geschäftsstelle eröffnet 1947 in der Roonstraße 5 in Hannover.

1949
Wilhelm Marhauer wird zum ersten Vorsitzenden und gleichzeitigem Geschäftsführer gewählt. Die erste Sammlung „Woche für die Blinden“ wird von der Freiwilligen Feuerwehr Emsland durchgeführt.

1951
Erster ordentlicher Verbandstag in Hannover am 09. August in Hannover. Im September findet in Bonn eine Demonstration mit 2.000 blinden Menschen statt. Der Deutsche Blindenverband fordert ein bundeseinheitliches Blindenpflegegeld.

Der BVN feiert Richtfeste in Hannover, Leer-Loga und Loccumer Heide.

1952
Eine Delegation von Zivilblinden unter Führung von Wilhelm Marhauer legt dem Sozialministerium Hannover die Forderungen zum „Zivilblindenpflegegeld“ dar. Sie überreichen eine Denkschrift und 150.000 Unterschriften aus der Bevölkerung.

1953
2.314 Mitglieder

1954
Die Abteilung Arbeitsfürsorge wird gegründet. Ziel ist es, das gesamte niedersächsische Blindenhandwerk und das der Landesblindenschule zu einer einheitlichen Arbeitsgemeinschaft zusammenzufassen.

1960
Das Blindenwohnheim Kirchrode ist fertig und wird bezogen.

1963
Am 20. März verabschiedet der Niedersächsische Landtag einstimmig das Gesetz über das Landesblindengeld. Mit diesem Gesetz wird die wichtigste sozialpolitische Forderung blinder Menschen in Niedersachsen umgesetzt.

1964
Das BVN-Kur- und Erholungsheim „Hermann Schimpf“ in Osterode im Harz wird eröffnet.

1967
Der BVN-Verwaltungsrat fasst den Beschluss, als Rechtsträger eine Schule für taubblinde Kinder zu errichten.

1969
In Braunschweig wird das Blindenzentrum mit 65 Wohnplätzen und Werkstätten für blinde Handwerker eingeweiht.

1971
Eröffnung des Taubblindenzentrums.

1976
Der Verein zur Förderung der Blindenbildung (VzFB, heute Deutscher Hilfsmittelvertrieb DHV) feiert am 22.09. seinen 100. Geburtstag.

Wilhelm Marhauer stirbt.

1977
Der hannoversche Rechtsanwalt Dr. jur. Ernst Schweckendiek wird zum neuen Landesvorsitzenden gewählt.

1985
Der BVN-Vorstand bestellt neben Geschäftsführerin Astrid Schulze Hans-Werner Lange als weiteren Geschäftsführer.

1989
Heinrich Behne wird zum neuen Vorsitzenden gewählt, Helga Neumann zu seiner Stellvertreterin. Dr. Ernst Schweckendiek wird zum Ehrenvorsitzenden ernannt.

1990
Ministerpräsident Schröder beruft Karl Finke in das Amt zum ersten Landesbeauftragten für Menschen mit Behinderungen. Finke ist blind und Mitglied im BVN.

Im November findet die Gründungsversammlung des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Sachsen-Anhalt statt. Der BVN wird Mitgesellschafter und leistet organisatorische und finanzielle Hilfe.

1993
Der Umbau des Harz-Sanatoriums Osterode wird eingeweiht.

1995
Gründung der ProSenis Service gem. GmbH, Senioren- und Blindeneinrichtungen.

1997
50-jähriges Jubiläum mit 800 Gästen in der Glashalle des HCC. Den Festvortrag hält der niedersächsische Sozialminister Dr. Wolf Weber.

Der BVN bewahrt das Behindertenzentrum Hannover vor dem Konkurs. Umbenennung in Hannoversche Werkstätten gem. GmbH, wo der BVN seit Beginn an als Hauptgesellschafter fungiert.

1998
Zum zweiten Mal nach 1996 soll in Niedersachsen das Landesblindengeld gekürzt werden. Sofort nach Bekanntwerden im November formiert sich massiver Widerstand. Die Landesregierung nimmt die Kürzung des Landesblindengeldes zurück.

Umbenennung in Blinden- und Sehbehindertenverband Niedersachsen e.V.

1999
Heinrich Behne stirbt Der BVN beruft einen außerordentlichen Verbandstag ein. Helga Neumann wird neue Vorsitzende.

2000
Die Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe beteiligt sich an der EXPO 2000 in Hannover mit einem EXPO-Büro. Die EXPO wird für seheingeschränkte Besucher zugänglich Zudem richtet der Verband dort einen Kongress mit dem Titel „Sechs Richtige“ aus

2001
Beginn der Verschmelzungsvorbereitungen zwischen BVN und den acht Regionalvereinen Im November findet der BVN Verbandstag unter dem Motto „Immer eine Stocklänge voraus“ statt.

2002
Die Delegierten des Verbandstags 2002 beschließen einstimmig die Verschmelzung, die mit dem Eintrag ins Vereinsregister wirksam wird. Helga Neumann wird im Amt als Vorsitzende wiedergewählt, Manfred Barnstorf als Stellvertretender Vorsitzender.

Die ProSenis GmbH übernimmt im November erstmals eine Einrichtung in Schleswig-Holstein.

2003
Der BVN kämpft gegen weitere Einsparungen beim Landesblindengeld. BVN-Vorsitzende Helga Neumann erhält am 07. März für ihren vorbildlichen Einsatz im Dienste der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe das Bundesverdienstkreuz am Bande.

2004
Der „Verbandskurier“, das BVN – Magazin, erscheint unter dem neuen Titel „gemeinsam“.

Kurz vor der Sommerpause kündigt Sozialministerin von der Leyen (CDU) die komplette Streichung des Landesblindengeldes in Niedersachsen an. Es folgt der Beginn einer Medienkampagne des BVN mit zahlreichen öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen: Aktionen wie „Soziale Eiszeit“, „Blinde gehen baden“, Mahnwachen in Hannover und in vielen Städten Niedersachsens. Am 11. September demonstrierten mehr als 10.000 blinde und sehbehinderte Menschen aus ganz Deutschland gegen die Abschaffung des Blindengeldes. Am 22. November werden 140.000 Unterschriften gegen die Streichung des Blindengeldes übergeben.

2005
Ein außerordentlicher Verbandstag des BVN beschließt am 29. Januar einstimmig, gegen die Streichung des Landesblindengeldes ein Volksbegehren auf den Weg zu bringen, das von einem Bündnis mit Sozialverbänden, Parteien und Gewerkschaften unterstützt wird.

Das AURA-Hotel in Osterode muss aus finanziellen Gründen geschlossen werden.

2006
Am 23. Mai beschließt die niedersächsische Landesregierung wieder ein einkommens- und vermögensunabhängiges Landesblindengeld zu zahlen, allerdings auf niedrigerem Niveau. Der BVN kann die Unterschriftenaktionen zum Volksbegehren einstellen, die Landesregierung kann es so abwenden.

Der BVN wird in der Kategorie Public Affairs für seine erfolgreiche Kampagne Volksbegehren zur Wiedereinführung des Blindengeldes ausgezeichnet.

Unter dem Motto „Kultur verbindet“ führt der BVN erste Konzerte und auch Arztvorträge durch.  Später entstehen daraus BVN Kultur und BVN Patientenforum.

2007
Durchbruch beim Landesgleichstellungsgesetz. Zusammen mit dem Bündnis aus dem Blindengeldkampf war der BVN erfolgreich mit seinen Einsprüchen zum Gleichstellungsentwurf.

Erste Ausgabe des BVN-Radios als Daisy-CD und zur Ausstrahlung in niedersächsischen Bürgerradios.

2008
Der Blinden- und Sehbehindertenverein Hannover wird 100 Jahre alt.

2009
Der BVN richtet in Hannover das erste Louis Braille Festival der Begegnung aus.

2010
Die Kassette geht – die Daisy-CD kommt. Ab dem 01.01. stellt das gesamte Blindenwesen von Kassette auf Daisy-CD um. Auch die „gemeinsam“ erscheint ab sofort digital.

Der BVN-Verbandstag bestätigt Helga Neumann im Amt, Hans-Joachim Hoffmann wird Stellvertreter.

2011
Neuer Internetauftritt des BVN.

Wolfgang Angermann, Direktor des Deutschen Taubblindenwerks Hannover, Beisitzer im Vorstand des DBSV und Vorsitzender des RV Hannover wird zum Präsidenten der Europäischen Blindenunion gewählt.

2012
Der BVN kommuniziert jetzt auch über Facebook. Er redigiert und verlegt das Buch Blindheit und Kunst. Autor: Günter Mosel.

Einrichtung einer Beratungsstelle für Barrierefreiheit: Nach anderthalbjähriger Vorbereitung mit weiteren Behinderten- und Sozialverbänden startet der BVN das dreijährige Projekt. Eine Verkehrsplanerin und eine Architektin erstellen die Materialien für eine anschließende Schulung von 200 ehrenamtlichen und selbst behinderten Berater*innen in Sachen Barrierefreiheit.

Der Blinden- und Sehbehindertenverein Braunschweig feiert sein 100jähriges Jubiläum in der Dornse im Braunschweiger Altstadtrathaus.

2013
Die BVN-Ausstellung „Blinde Menschen im Spiegel der Kunst“ geht als Wanderausstellung durch Niedersachsen. Schirmherr ist der Landtagspräsident Bernd Busemann. Zum Auftakt ist sie für mehrere Wochen im Foyer des Niedersächsischen Landtags zu sehen.

Hannover: Erstes Blickpunkt-Auge-Gruppenangebot in Niedersachsen.

2014
Helga Neumann erhält für ihre langjährige und erfolgreiche Arbeit in der Blinden- und Sehbehindertenselbsthilfe die Ehrenmitgliedschaft des DBSV.

BVN Verbandstag in der Aula des Landesbildungszentrums. Geschäftsführer Hans-Werner Lange kündigt die Öffnung des Verbandes für weitere Sehbehindertengruppen und die Weiterentwicklung zur Patientenorganisation

Alle hauptamtlichen Beraterinnen und Berater in Niedersachsen qualifizieren sich durch Blickpunkt-Auge-Schulungen.

2015
In Rathaus Uelzen eröffnet Blickpunkt Auge Niedersachsen eine erste externe Beratungsstelle. Es folgen in dem Jahr noch Lüchow, Soltau und Aurich.

Historische Fotos